Die Gesellschaft hat keinen Scheiss Nutzen

Konzert vom 27. Januar 2017 im Willemeen in Arnheim.
SNFU, Orphalis, Bitter Grounds

Es sollte ein turbulenter und chaotischer Abend werden, der schon mit unguten Vorzeichen begonnen hatte. Normalerweise plane ich Konzerte weit im Voraus, um meine Dienste bei meiner Chefin anzumelden und damit ich keinen Spätdienst an dem Tag bekomme und erst sehr spät bei Konzerten ankomme. Diesmal ging jedoch etwas gehörig schief, ich hatte Spätdienst, musste zudem noch auf eine andere Station und es grassierte gerade der Norovirus mit Erbrechen und Durchfall bei unseren Senioren und Seniorinnen.

Keine guten Voraussetzungen, denn ich wusste ja, daß ich noch 120 Kilometer bis nach Arnheim fahren müsste. Das könnte extrem knapp werden, wenn SNFU, die ich eigentlich sehen wollte, um 21:45 Uhr anfangen zu spielen. Ich kam aber um 20 Uhr bei der Arbeit raus, fuhr vielleicht manchmal etwas zu schnell über die Autobahnen und parkte in einer Seitenstrasse vom Willemeen, da der Laden in der Nähe des Hauptbahnhofes liegt und damit das Parken schwierig war. Ich hatte auch Angst vor den berüchtigten holländischen Reifenkrallen. Eigentlich hätte ich mir sogar ein Parkticket ziehen müssen, da umsonst parken erst ab 23 Uhr begann, aber ich legte es drauf an.

Das Willemeen war schnell gefunden und ich ging in den Eingang, in dem die meisten Leute standen. Zuvor hatte ich flüchtig einen Zettel an der Wand gesehen, bei dem ein Pfeil in diese Richtung zeigte und ich meine es stand SNFU darüber. Ich sollte mich aber gehörig täuschen. Bei dem Ticketschalter fand der Typ den Scanner nicht, also bekam ich so meinen Stempel auf die Hand. Die Frau daneben sprach mich noch an, was ich nicht sofort verstand, bis mir wieder einfiel, daß ich in Holland war und ich doch in Englisch kommunizieren sollte.

Die Halle war sehr groß und es spielte noch eine Band. Ich wunderte mich etwas, welch unpassende Vorband man sich ausgesucht hatte, denn es waren Orphalis aus Dortmund und der Sänger growlte heftig und sie spielten eher Metal. Aber nun, ich war merkwürdige Zusammenstellungen von Konzerten gewohnt und machte meine Fotos, um das Verpasste aufzuholen. Ich dachte nicht weiter darüber nach. Ich hätte es aber mal besser machen sollen.

Irgendwann fiel mir auf, daß es bereits 21:45 Uhr durch war und mittlerweile eigentlich SNFU ihr Set aufbauen sollten. Dank moderner Technik mit mobilen Telefonen fand ich heraus, daß heute gleich zwei Konzerte in demselben Haus stattfanden. Gnn. Ich war erstmal auf dem Metal Konzert gelandet und düste jetzt schnurrsack nach draußen. Den Leuten an der Kasse war das nun auch aufgefallen und sie gaben mir meine Karte zurück. SNFU sollten in dem kleinen Cafe unten auftreten. Natürlich hatten SNFU schon angefangen zu spielen und das Konzert war komplett ausverkauft.

Das erste Mal habe ich SNFU ungefähr Mitte bis Ende der 90’er Jahre gesehen. Das war glaube ich damals im Zwischenfall, den es heute nicht mehr gibt. Da war ich noch jung und hatte vor dem Konzert voll Schiss, weil ich wusste, daß Sänger Mr. Chi Pig immer herum rotzte und auch gerne mal ins Publikum. Naja, am Ende war das alles halb so wild, aber der Mann ist mir in bester Erinnerung geblieben, weil er ein unglaubliches Energiebündel ist, da er permanent fünf Meter nach oben sprang, manchmal rotzte und herumtanzte. SNFU steht für Society’s No Fucking Use – also die Gesellschaft hat keinen Scheiss Nutzen.

Die Band löste sich nach vielen Trennungen 2005 endgültig auf, als es zu internen Problemen kam und das Epitaph Label ihren Vertrag nicht verlängern wollte. Mr. Chi Pig lebte für einige Jahre als Obdachloser auf der Straße und wurde nun endgültig schwer drogenabhängig und der Gebrauch von Chrystal Meth zeichnete ihn zusehends. Laut seinen eigenen Aussagen erschien ihm irgendwann seine Mutter an seinem Bett und riet ihm dazu, die Drogen doch sein zu lassen. So schaffte er den Dreh und das ist auch gut so, denn so bleibt er uns als Ikone auf der Bühne erhalten. Auch wenn er nicht mehr die Energie versprüht, wie es früher einmal war, ist es dennoch toll ihm zuzusehen in seinen Verkleidungen und Masken, die er sich aufsetzt. es zeigt aber auch, daß man sich aus allen Schieflagen des Lebens von alleine wieder heraus ziehen kann. Alleine dafür gebührt ihm gehöriger Respekt.

Von der Setlist habe ich nicht wirklich etwas mitbekommen, ich kann mich nur an das Lied Cannibal Cafe bewusst erinnern, daß ich zuvor noch im Auto gehört hatte. Ich musste mich zuerst einmal durch die Menge durchkämpfen, um einen geeigneten Platz an der Bühne zu bekommen und ein paar Fotos zu machen zu können. Das Konzert war dann leider auch schneller vorbei als mir lieb war, aber was sollte ich erwarten, wenn ich knapp 15 Minuten zu spät kam.

Dann war Umbaubause und es sollte noch eine Aftershow mit den Bitter Grounds aus Utrecht in den Niederlanden statt finden. Die Mitglieder der Gruppe sind schon seit 1996 musikalisch aktiv und sie veröffentlichten ihr erstes Debutalbum im April letzten Jahres. Sie spielten eine tanzbare Mischung aus Ska, Punk und Reggae. Wieso sie nun als letztes gespielt haben und was daran nun die Aftershow war, hat sich mir nicht erschlossen.

Der Abend war dermassen konfus, dass ich während der Zugabe von Bitter Grounds zurück zum Auto lief. Es fiel mir rückblickend auf, daß bei beiden Konzerten im Willemeen vor allem die Frauen die Stimmung machten und tanzten. Wie Mr. Chi Pig treffend bemerkte: „You guys get a kick in the ass by this bunch of girls here in the front.“ Ich sollte mehr Konzerte in Holland besuchen.

Erik, nicht Leonard

Konzert vom 18. November 2016 im Zakk Club in Düsseldorf.
Erik Cohen

Das Konzert von Smoke Blow in Köln hatte ich verpasst, weil es schon seit Monaten ausverkauft war. Dann sollte ich mir wenigstens Erik Cohen gönnen, der mit seiner neuen Platte Weisses Rauschen auf Tour war. Die Scheibe konnte sich sogar bis auf Platz 74 der deutschen Charts hervorarbeiten, also war es schon Pflicht, das Soloprojekt von Daniel Geiger einmal live zu sehen.

Zudem fand das Konzert im Zakk Club statt und da ich das Zakk sehr liebe, bin ich hingefahren, habe vorher mit Daniel geschrieben, ob ich fotografieren könnte und netterweise hat er es mir erlaubt. Auch wenn das Licht im Zakk Club gegenüber der Halle im Zakk eher bescheiden ist, habe ich versucht, das Beste mit meiner Kamera aus dem Abend heraus zu holen.

Daniel (aka Erik Cohen) gründete 1997 die Band Smoke Blow. Seit 2010 will die Band keine Studioalben mehr veröffentlichen und gibt nur vereinzelte Konterte. 2011 begann Daniel sein Soloprojekt Erik Cohen und brachte bislang zwei Studioalben heraus.

Von den beiden Platten spielte Erik Cohen eine bunte Mischung und natürlich auch die Hits „Chrom“ und „Hier ist nicht Hollywood“. Das Publikum war zwar wegen des kleinen Clubs im Zakk noch überschaubar, aber der kleine Laden war voll. Es wurde getanzt und neben mir waren zwei Typen, die sehr betrunken waren. Sie mussten natürlich herum pogen, was einmal zum Sound von Erik nicht wirklich passte und vor allem knallte einer von ihnen ständig auf den Boden, weil er vom Alkohol nicht mehr stehen konnte. Einmal saß er vor mir auf der Treppe, die zur Bühne hinaufging und bumm, bumm, bumm glitt er Stufe für Stufe auf den Boden herunter, bis er da unten lag wie ein dicker Käfer auf dem Rücken. Da musste ich ja schon etwas lachen.

Nach dem regulären Konzert gingen Erik Cohen irgendwie die Lieder aus und sie wiederholten einfach noch drei Songs aus dem regulären Set, bis dann gegen 22:15 Uhr ein tolles Konzert zu Ende ging. Ich habe mir natürlich direkt am Merch-Stand die neue Platte im blauen Vinyl geholt, von der nur 100 Stück gepresst wurden. Später sah ich auf Discogs, daß diese Scheibe schon für 160 Euro gehandelt wird und ich habe gerade einmal 1/10 davon bezahlt. Verrückt diese Plattensammler.

Zu dritt im Fjord

Konzert vom 23. August 2016 in der Live Music Hall in Köln
Thrice, Fjort

Thrice, Thrice, THRICE!!!! Ich hätte nicht gedacht, daß ich die Band noch live sehen würde. Als im Mai das Konzert in Köln öffentlich wurde, war ich wohl gerade in Idomeni fotografieren und habe es leider nicht mitbekommen. Als ich es dann über einen Monat später realisierte, waren die Karten schon ausverkauft. Schade, denn Thrice gehören schon zu meinen absoluten Lieblingsbands. Nunja, so spielt das Schicksal manchmal.

Am Abend des Konzerts hatte ich frei und schaute noch einmal auf die Facebook Seite des Events, ob nicht vielleicht, ganz vielleicht jemand noch eine Karte zu verkaufen hat. Da war dann der Christian, dem es gesundheitlich nicht so gut ging und ein ausdruckbares Ticket zu verkaufen hatte. Also angeschrieben, Geld mit Paypal bezahlt und Ticket ausgedruckt. Das war so gegen 17:30 Uhr und um 19 Uhr war schon Einlass. Also zack eine Suppe aus dem Tiefkühlfach warm gemacht, umgezogen und ab ins Auto, Geld kaufen, Auto tanken und wieder auf die A3. Drei Staus mitgenommen, versucht mich nicht aufzuregen, denn das ist ja normal hier, einen Parkplatz gesucht und ab hinein. Ich habe mir sogar akribisch den Namen und die Anschrift von Christian gemerkt, falls mal jemand auf die Idee kommt, den Käufer zu checken. Beim Einlass interessierte sich niemand dafür und die Karte wurde sogar artig gescannt und nicht zerrissen. Ein Bier besorgt und hinein in die Halle, einen guten Platz ergattern. Es war mittlerweile 19:20 Uhr und noch nicht sehr voll, also konnte ich recht weit vorne in der vierten Reihe stehen.

Ich war natürlich zu spät gewesen, um mich als Fotograf zu akkreditieren, was nicht wirklich schlimm war, denn so konnte ich die Band voll geniessen. Ich hatte aber meine kleine Kompaktkamera eingeschmuggelt, mit der ich die Bilder unten geschossen habe. Qualitativ nichts hochwertiges, aber wenigstens ein Foto am Ende.

Punkt 20 Uhr standen dann Fjort auf der Bühne. Eine Band aus Aachen, die es seit 2012 gibt und die mittlerweile drei Alben heraus gebracht haben. Ich kannte sie bislang nicht, aber sie spielten einen wütenden und melodischen Hardcore, der in die Ohren und die Beine ging. Als Vorband für Thrice eine gute Wahl und sie bekamen natürlich meine Pluspunkte, als Bassist David gegen die braunen Brandstifter der AfD & Co. schimpfte und zum Widerstand aufrief. So muss das sein und leider war ihr Konzert extrem kurz, sodaß ich sie sicherlich noch einmal live sehen muss.

Die Spielzeit von Fjort war wie immer bei so Großveranstaltungen auf 30 Minuten beschränkt, dann brauchten die Roadies dieselbe Zeit, um die Bühne für Thrice umzubauen. Ich höre Thrice nun seid vielen Jahren und habe von ihnen sogar jedes Album auf Vinyl im Schrank stehen, bis auf die The Alchemy Index in der 10″ Version, die mittlerweile unerschwinglich ist. Ich warte auf einen Repress…

Thrice existieren seit 1998 und sie sind eine der wenigen Bands, die seit ihrer Gründung in derselben Formation spielen. 2011 nahm die Band aus persönlichen Gründen eine Auszeit und kam 2015 mit Arbeiten an dem neuen Album To Be Everywhere Is to Be Nowhere wieder zurück. Dieses erschien im Mai diesen Jahres. Und sie sind wieder mit einer Tour durch Europa zurück. Wenn auch nur mit ein paar Konzerten und wohl nur ein Konzert auf dem europäischen Festland. Dementsprechend waren Holländer und Belgier extra angereist. 2010 hatte ich sie verpasst, da haben sie laut meiner Erinnerung (die mich nicht selten mal täuscht) in Münster gespielt.

Ach, das Konzert? Es war das wohl bislang beste Konzert diesen Jahres. Nicht nur Fjort haben mich überzeugt, auch Thrice sind eine extrem gute Liveband. Davon konnte ich mich nun selbst überzeugen. Sie spielten viele ihrer alten Klassiker, darunter meine absoluten Lieblingssongs Cold Cash, Colder Hearts und The Artist In The Ambulance. Von der neuen Platte wurden auch ein paar Songs gespielt und die Setlist war angenehm durchwachsen von den ruhigeren Liedern bis hin zu den brachialen Ausbrüchen.
Sänger Dustin schien gesundheitlich etwas angeschlagen zu sein, denn vor den Zugaben meinte er, die Stimme versage ihm fast. Er hielt jedoch tapfer durch und es war ihm nichts anzumerken.

Es war so unglaublich heiss in der Halle und da ich, seitdem ich nicht mehr rauche, irgendwie mehr schwitze als sonst, war mein Shirt am Ende des Konzerte pitsch patsch nass. Es war gut, daß ich einen Kapuzenpulli im Wagen hatte und so wechseln konnte und nicht mit einem triefendem Hemd nach Hause rasen musste. Noch beseelt von der Energie, dudelte ich in meinem Wagen nach Hause und da ich meine Ohrstöpsel vergessen hatte, war die Musik im Wagen sicher umso lauter. Wenn meine Knutschkugel tanzen könnte, wären wir nach Hause getanzt.

Wilhelm schreit nach der drogenabhängigen Haut der Träne

Konzert vom 17. August 2016 im Turock Essen
Strung Out, A Wilhelm Scream, Skin Of Tears

Mann, da habe ich mir ja einen Titel ausgedacht. Pfff. 😉
Als ich hörte, daß A Wilhelm Scream in Essen spielen sollten, habe direkt den Nico von Beer & Music angeschrieben, ob ich dort fotografieren kann. Ich habe bislang zwar nur die Career Suicide Platte von ihnen gekannt, die aber auch schon neun Jahre alt ist. Ich hatte stets meinen Gefallen an dem Vinyl und musste natürlich hin. Es sollte eine Offenbarung werden!

Im Turock sehe ich gerne Konzerte, das Licht ist gut, der Sound ist gut und der Schuppen nicht weit von mir. Ich kam diesmal und wohl das einzige Mal in diesem Jahr genau um 19:30 Uhr an und selbst die Türsteher wussten nicht genau, ob nun schon Einlass war oder nicht. Ich wurde trotzdem herein gelassen, bekam den obligatorischen Stempel und besorgte mir erst einmal ein Bier.

Es dauerte bis 20 Uhr, als Skin Of Tears die Bühne betraten. Ich hatte sie im Schuppen genau nebenan vor fast exakt sechs Monaten gesehen, als sie für Distemper Vorband waren. Die Gruppe stammt aus Wermelskirchen bei Wuppertal und ist nun seit über 25 Jahren musikalisch unterwegs. Erst in diesem Jahr haben sie ihre neue Platte Fake My Day! veröffentlicht. Sie durften nur eine halbe Stunde spielen und die Zeit war auch rasant vorbei. Bislang ist es die Band, die ich in diesem Jahr am meisten live gesehen habe.

Dann wurde fleissig umgebaut und ich war gespannt auf die Band, wegen der ich eigentlich gekommen war: A Wilhelm Scream. Wie im Eingang geschrieben, kannte ich sie seit einigen Jahren nur von dem gelben Vinyl der Career Suicide Platte und hatte sie einmal in Köln verpasst, weil da irgendetwas anderes war. Heute durfte ich sie endlich sehen und was die fünf Jungs aus New Bedford, Massachusetts auf die Bühne bretterten, haute mich fast um. Normalerweise hatte ich sie als eher melodiös in Erinnerung und sie kamen eher aus der Surf-Punk und Propagandhi Richtung. Was sie hier live ablieferten war ein schnelles und brachiales Brett, das von Energie nur so strotzte und die Lieder klatschten nur noch links und rechts um den Kopf.

Sänger Nuno Pereira, neben Trevor Reilly eines der Gründungsmitglieder (eine Band, die übrigens auch unter dem Namen Koen und Smackin‘ Isaiah auftrat), war das ganze Konzert eigentlich nur in Bewegung und es war spannend ihm zuzusehen. Er erinnerte mich etwas an die Bühnenperformance von Jello Biafra. Spannend, witzig und elektrisierend. Einen Tag nach dem Konzert gaben sie bekannt, dass sie schon an einem neuen Album arbeiten. Ich bin gespannt.

Strung Out
bedeutet unter anderem drogenabhängig, obwohl ich nicht genau weiss, ob sich die Band wegen dieser Bedeutung so benannt hat. Sie kommen aus dem sonnigen Kalifornien und spielen schon seit 1990 in fast der originalen Besetzung. Sie sind bei Fat Wreck Records unter Vertrag und versprühen den sonnigen Charme des Labels – sonniger, energiegeladener Punk mit persönlichen Texten. Sänger Jason Cruz ist ein Perfektionist, der neben seiner Tätigkeit als Sänger bei Strung Out auch malt und Gedichte schreibt. Mehrmals gab er dem Menschen an der Lichtmaschine Anweisungen, welche Stimmung er gerade haben wollte und regte sich am Ende etwas auf, als dieser bei dem Song Rebellion Of The Snakes (??) nicht das Licht auf rot beschränkte und es etwas abdunkelte. Fortan blieb die Beleuchtung komplett rot.

Um ca. 23:15 Uhr war dann das Spektakel zu Ende und in sechs Stunden sollte ich wieder zum Dienst auf der Arbeit erscheinen. Eine kurze Nacht mit nur vier Stunden Schlaf stand mir bevor.

Die Anderen entzünden meine Verteidigung

Konzert vom 17. Juli 2016 in dr Essigfabrik Köln
Ignite, The Other, My Defense

Es gibt Bands, mit denen ich groß geworden bin und Ignite gehört mit dazu. Ich hatte sie zuletzt vor knapp 9 Jahren in der Matrix in Bochum gesehen und dachte, es wird mal wieder Zeit, sie mit ihrer neuen Platte und neuen Musikern zu besuchen.

Mal wieder Köln. Diesmal die Essigfabrik. Mit der Bahn in diese Stadt zu fahren ist mir wegen der langen Strecke alleine zu trist und mit dem Auto bekomme ich eigentlich bei fast jeder Fahrt entweder einen Hals oder mir klappen die Fingernägel um. Also habe ich heute etwas mehr Zeit mitgebracht für meine Autofahrt und kam an dem Sonntag sehr glatt durch und da ich in der Essigfabrik noch nie zuvor war, fuhr ich natürlich erst einmal vorbei, statt in die Straße einzubiegen, die parallel zur Hauptstraße lag. Naja, umdrehen und einen neuen Versuch wagen, bin ich ja gewohnt. Diesmal war ich sogar sehr früh da und konnte bequem meine Presseanwesenheit bestätigen, den doofen Fotografen-Aufkleber auf meine Hose pappen (die noch heute Klebereste davon aufweist) und mich erkundigen, wie und wo ich fotografieren darf.
Mal nebenbei: ich bekomme meine Konzertkarten nicht umsonst und bezahle jedes Konzert, nicht alleine deswegen, um die Bands zu unterstützen. Nun ob es Ignite nötig gehabt hätten, weiss ich nicht, aber ich wollte ja auch ein paar Fotos für mein Buchprojekt sammeln.

Zu Anfang war die Halle noch sehr leer und die paar Leute warteten auf die erste Vorband My Defense. Sie stammen aus Köln und haben sich bereits 2005 gegründet. Sänger Perry fand es toll, in seiner Heimatstadt endlich in der Essigfabrik spielen zu dürfen. Sie spielten schnellen Punk/Hardcore mit ehrlichen, persönlichen Texten. Leider nur eine halbe Stunde lang und dann mussten sie die Bühne schon räumen.

Nun gab es einen kleinen musikalischen Stilwandel und die Horrorpunk Band The Other betrat die Bühne. Sie stammen ebenfalls aus Köln und es gibt die Band seit 2002 und sie sind eine Institution im deutschen Horrorpunk. Sänger Thorsten Wilms (Rod Usher) betrieb zwischen 2003 und 2014 zusammen mit Jonas „Paddy“ Nitzsche das Label Fiend Force Records. Ebenso eine Institution im Horrorpunk.
Was bei der Band für ein Sound dargeboten wurde, scheint sicher klar und sie traten natürlich in den üblichen Zombie-, Horrorfilm- oder Misfits-Verkleidungen auf. Stilecht also.

Um 21:30 Uhr sollten dann der Hauptakt Ignite spielen. Die Gruppe gibt es seit 1993. Brett Rasmussen ist heute noch das einzige verbliebene Gründungsmitglied, Sänger Zoli Téglás ist seit 1994 dabei. Sie gehören zu einer der wichtigsten Hardcore Bands der USA in der heutigen Zeit. Ich bin auf die Band Mitte der 90’er gestoßen als sie ihre Past Our Means EP gerade heraus gebracht hatten.

Jetzt gaben sie ein paar exklusive Hallenkonzerte während ihrer sommerlichen Festival Tour. Erst im Januar veröffentlichten sie ihr letztes Album A War Against You. Sie spielten ein paar Lieder der neuen Platte, aber vor allem auch ihre Klassiker wie In My Time oder Run, Run, Run, weswegen wir diese Band alle lieben.
Irgendwie war mir das Konzert zwischenzeitlich zu schleppend, denn die ruhigeren Songs überwiegten das Setup etwas. Dennoch ein gutes Konzert, laut, verschwitzt und ich glaube sogar ausverkauft.

Ein kleines Video, aber leider mit schlechter Soundqualität 😦

Hund frisst Hund

Konzert vom 21. April 2016 im Stone im Ratinger Hof, Düsseldorf
Dog Eat Dog und Reno Vega

Konzerte in der Düsseldorfer Altstadt sind mir immer ein Graus, weil es dort keine Parkmöglichkeiten für mein kleines Automobil gibt oder nur in einem teuren Parkhaus. Klar ich hätte auch mit der Bahn fahren können, aber wenn ich am nächsten Morgen wieder früh aufstehen muss, finde ich die Anfahrt mit dem Auto komfortabler. Dafür musste ich an dem Abend aber mit immensen Parkgebühren rechnen.

Es ist sehr lange her, dass ich Dog Eat Dog einmal live gesehen habe, daß ich mich garnicht mehr erinnern kann, wann und wo das war. Es muss auf jeden Fall irgendwann in den 90’ern gewesen sein, als ich noch kein Auto hatte und mir um Parkplatzprobleme keine Sorgen machen musste. Da sah die Umgebung um den Ratinger Hof auch noch ganz anders aus. Der Laden hat eine sehr grosse Bedeutung für die deutsche Untergrund Kultur und die Vorgängerband der Toten Hosen – ZK – hatte dort ihren Proberaum und spielten im Ratinger Hof ihr erstes Konzert. Nach vielen Jahren, in denen im Hof eine Techno Disco hauste, sind dort nun wieder unter dem Namen Stone verzerrte Gitarren zu hören.

Als erste Band standen pünktlich Reno Vega auf der Bühne. Drei Jungs aus dem kleinen, knapp 3.500 Seelen großen Ort Kahlgrund/Schöllkrippen in der Nähe von Aschaffenburg. Die Band gibt es seit 2011 und sie präsentierten einen reinen Stonerrock, der vom ersten Moment an um die Ohren blies. Bluesig, roh und voller Leben. Das Internet gibt nicht viel her, außer daß sie bald ihre erste Platte Welcome To Skullcracking veröffentlichen werden. Wir können also auf laute, tiefe Gitarrenmusik mit viel Herz gespannt sein von der kleinsten, größten Band der Welt, wie sie sich selbst bezeichnen.

Reno Vega live im Stone im Ratinger Hof, Düsseldorf am 21. April 2016.

Reno Vega live im Stone im Ratinger Hof, Düsseldorf am 21. April 2016.

Nach einer kurzen Umbaupause kam dann der Hauptakt des Abends mitten durch das Publikum auf die kleine Bühne gelaufen: Dog Eat Dog, eine von der Ostküste der USA stammende Band, die 1989 aus dem Umfeld von Mucky Pup entstanden ist. Ihre größten Hits und Erfolge feierte die Band sicher mit ihrer Mischung aus Hip-Hop, Hardcore, Crossover und Punk in der Mitte der 90’er Jahre. In dieser Zeit bin auch ich auf sie aufmerksam geworden und habe sie da sicher irgendwann auch mal live gesehen und sie und ihre kommenden Platten dann aus den Augen verloren. Alleine schon der nostalgischen Erinnerung wegen wollte ich also nach Düsseldorf.

Aber die Jungs sind heute noch auf den Bühnen der Welt unterwegs und haben gerade ihr 26 jähriges Jubiläum gefeiert. Anlass für die jetzige Tour 2016 war das 20 jährige Jubiläum ihrer zweiten Platte Play Games von 1996.

Bereits im letzten Jahr hatten sie schon im Stone gespielt und der Laden war heute restlos ausverkauft. Sie präsentierten eine bunte Mischung ihrer Platten und huldigten sogar Prince mit einem Lied, der an dem Tag des Konzertes tragischerweise verstarb. Schon direkt zu Anfang des Konzertes machte Sänger John ihre Abneigung gegen Raucher klar und hatte sogar eine Wasserpistole zum Beschießen von qualmenden Zigaretten dabei. Manchmal frage ich mich, ob es angenehmer ist, auf Konzerten den dumpfen Schweiß mancher Zuschauer_innen zu riechen oder den beißenden Qualm einer Zigarette?

Sie gaben auch bekannt, daß sie nach 10 Jahren Pause wieder an einem neuen Album arbeiten würden und spielten davon den Song Lumpy Dog. Wir dürfen also gespannt sein auf das was da kommen wird.

Dog Eat Dog live im Stone im Ratinger Hof, Düsseldorf am 21. April 2016.

Dog Eat Dog live im Stone im Ratinger Hof, Düsseldorf am 21. April 2016.

Pünktlich zur Nachtruhe war die Show vorbei. Aus Rücksicht auf die Anwohner. Wir waren alle durchgeschwitzt durch den kleinen Raum und den heissen Scheinwerfern und trotteten langsam zum Ausgang zurück. Im Stone ist es etwas unglücklich gelöst worden, daß die Getränke nicht sofort an der Bar bezahlt werden können, sondern mit einem Kartensystem am Ausgang. Dadurch gab es einen immensen Stau beim Hinausgehen, was nicht nur nervig war, sondern auch vollkommen unnötig.

Mit abschließenden 7,50 Euro weniger in meinem Portemonnaie für das Parkhaus, bin ich dann wieder nach Hause gefahren, um am nächsten Morgen wieder um 7 Uhr aufzustehen.

Setlist Dog Eat Dog:
Games
Pull My Finger
Isms
Who’s The King?
Walk With Me
Lumpy Dog
World Keeps Spinnin‘
Vibes Kartel [?]
Rocky
Step Right In
Expect The Unexpected
No Fronts
If These Are Good Times

Bierschinken vegetarisch

Konzert vom 31. März 2016 im FZW in Dortmund
Betrunken im Klappstuhl, Monoment, The Roughneck Riot, F*cking Angry, Isotopes Punk Rock Baseball Club, Der dumme August, Notgemeinschaft Peter Pan, Harry Gump, Paranoya & Black Paintings

Bierschinken eats FZW Nummer 11. Das klingt jetzt nicht gerade einladend für einen Vegetarier und es graut einem im Vorfeld schon davor, was dort an eventuellen kulinarischen Grausamkeiten (wie Bierschinken) entgegenlachen wird.
Wir erfuhren später von den Bands, daß dort wohl das beste Buffet für die Bands im Backstageraum aufgebaut worden war.

Nun denn, 5 Euro Vorverkauf und 7,50 Euro Abendkasse reissen keine gähnenden schwarzen Löcher in die Haushaltskasse und es wurden an einem Abend für den Preis ganze zehn (!!!) Bands dargeboten, das sind also 2 Euro pro Akt. Manch andere Helden verlangen da schon das fünfzehnfache für ein einziges Konzert.

Der Veranstalter Bierschinken ist ein Online Fanzine, dass seit 16 Jahren über Punk, Musik, Konzerte und Platten berichtet. Zum 11. Mal nun feierten sie sich selbst mit diversen Bands, Spaß und viel Punk.

Ich kenne das FZW noch, als es im Neuen Graben beheimatet war und ich erinnere mich noch gut an das etwas abgelegene, sympatische kleine Rumpelhaus. Den Neubau in der Nähe der Innenstadt Dortmunds hatte ich bislang noch nie besucht, obwohl er bereits seit ein paar Jahren dort steht. Nun, das FZW gehört der Stadt und natürlich wachten bullige Türsteher vor dem Eingang die einen angrapschen mussten, in die Taschen schauen wollten und dabei um 18 Uhr abends und geringem Publikumsverkehr noch recht freundlich waren. Es war trotzdem nervig und törnte erst einmal ab.

Die Hallen und das ganze Gebäude scheinen einzig und alleine für Konzerte und Veranstaltungen oder Parties gebaut zu sein, zumindest lassen der Betonboden, drei verschieden grosse Hallen mit Bühnen und die clevere Ausrichtung der Toiletten darauf schliessen. Ich lief also mit meiner Begleitung Merle erst einmal ein Bier kaufen und kurz darauf ging es eigentlich auch schon los. Die erste Band spielte gleich neben der Theke, wo wir gerade standen. Dort war eine kleine Bühne aufgebaut, gleich neben der Tür, wo ständig die Leute hinaus rannten, um zu rauchen.

Die Black Paintings aus Köln klangen irgendwie nach Samiam und ihr Bandinfo sagt, sie spielen Emopunk. Da hatte sich mein Gehör nicht getäuscht und die fünf Musiker gibt es seit 2014. Der Sänger war sehr spannend, denn er schraubte den Mikroständer so weit nach unten, daß er sich so breitbeinig davor aufbauen musste, um überhaupt in das Mikrofon singen zu können. Das sah nicht nur cool aus, ich fragte mich auch, ob er nicht nach jeder Show wahnsinnigen Muskelkater in den Beinen bekommt. Ich fragte mich nachher auch, wieso ich kein Foto von ihnen gemacht habe.

Die Spielzeit war mit knapp 30 Minuten extrem kurz und ehe man sich versah, war ihre Show vorbei. Es spielten ja auch noch neun weitere Bands an diesem Abend.
Zu unserer Verwirrung verließ das gesamte Publikum nun die grosse Bar und ging hinaus. Also fast das ganze Publikum, ein Teil blieb noch an der Bar zurück oder war anscheinend so verdutzt wie wir über das Verschwinden, bis wir dann mitbekamen, daß die nächste Band in einer anderen Halle spielte.
Wir dackelten also brav dem Pulk hinterher und die nächste Gruppe – Paranoya hatte schon angefangen.

Paranoya spielen am 31. März 2016 live im FZW, Dortmund.

Paranoya spielen am 31. März 2016 live im FZW, Dortmund.

Vier Punker aus dem Ruhrgebiet, die es erstaunlicherweise schon seit 1994 gibt und ich bislang noch nichts von ihnen mitbekommen habe. Früher sahen sie ein bisschen punkiger aus mit Irokesen und vielen Ketten, aber heute ist man älter und gesetzter und trägt Mütze und blondierte Rastazöpfe. Sie spielten Punkrock mit kritischen Texten und sind ganz klar antifaschistisch. In der Vergangenheit haben sie einige gute Projekte unterstützt. Nach 30 Minuten war dann aber wieder Schluss.

Die Turmuhr schlug gerade einmal 19:30 Uhr und wir hatten schon zwei Bands konsumiert. Die ganze Meute ging nun wieder die Stufen aus der Halle hoch in die Bar, wo bereits ein Sologitarrist spielte. Harry Gump, dem man seine Münchener Herkunft klar im Akzent anhörte, spielte Folk, auch wenn er sich nicht gerne ausschließlich mit dem Metier identifiziert werden möchte. Er ist ein Poet mit der Gitarre.

Harry Gump spielt am 31. März 2016 live im FZW, Dortmund.

Harry Gump spielt am 31. März 2016 live im FZW, Dortmund.

Ich muss sagen, ich mag Liedermacher ziemlich gerne und dass nicht nur seitdem Frankie Stubbs von Leatherface seine glorreiche Akustikplatte heraus gebracht hat. Die Musik ist eher zum Zuhören und irgendwie poetischer, denn der Text steht im Vordergrund. Harry Gump nahm uns mit in seine kleine Welt voller Politik, persönlichen Gedanken und Phantasie.

Punkt 20 Uhr war er dann auch schon wieder fertig und Merle und ich düsten wieder von der Bar, durch den Vorraum, die Treppen hinunter in die kleine Halle. Notgemeinschaft Peter Pan stand schon wieder auf der Bühne und das Programm ließ einem nicht eine einzige Minute zum verschnaufen.

Notgemeinschaft Peter Pan spielen am 31. März 2016 live im FZW, Dortmund.

Notgemeinschaft Peter Pan spielen am 31. März 2016 live im FZW, Dortmund.

Die drei Jungens aus Hamburg spielten einen schnellen, witzigen aber mit guten politischen Hintergründen bespickten Punk, die es bereits seit 2009 gibt. Man merkte der Band ihre Freude an der Musik an und es machte Spaß ihnen zuzusehen. Besonders gut hatte mir gefallen, dass sie an die vier ersten vom Hitler Regime ermordeten Antifaschisten erinnerten und dazu sogar einen Banner an einem ihrer Verstärker angebracht hatten.

Die beiden nächsten Bands Der dumme August aus Köln und die Isotopes Punk Rock Baseball Club aus Vancouver sind irgendwie an uns vorbeigerauscht. Wir standen in der Zwischenwelt des Eingangs, unterhielten uns mit Mitgliedern von F*cking Angry und verquatschten die Zeit irgendwie. Eine Stunde Spielzeit gehen sehr schnell um, wenn man redet, trinkt und sich am Leben freut.

F*cking Angry spielen am 31. März 2016 live im FZW, Dortmund.

F*cking Angry spielen am 31. März 2016 live im FZW, Dortmund.

F*cking Angry habe ich nun zum dritten oder vierten Male live in diesem Jahr gesehen und ich erfreue mich immer wieder an dieser äußerst sympatischen Truppe aus Bonn. Ihr Set war ein wenig chaotisch, aber sie waren heute sehr gut drauf und es war witzig ihnen zuzusehen. Trotz der etwas ungünstig gelegenen Bühne mit Monitorboxen, die mitten im Raum standen sodaß die Leute darüber fielen, wurde dennoch gepogt und getanzt.

Die letzte Band des Abends, die wir bewusst mitbekommen haben, waren The Roughneck Riot aus Manchester. Eine Band, die es seit 10 Jahren gibt, in denen sie nur eine einzige Platte heraus gebracht haben.

Sie spielten Folk Punk mit Mandoline, Akkordeon, der obligatorischen Gitarre, Bass, Schlagzeug und einem Banjo. Über das Banjo habe ich so dermassen gefreut, denn die Musikerin spielte Hardcore-Banjo. Sie nutzte das Banjo wie eine elektrische Gitarre und rockte ab. The Roughneck Riot waren tanzbar, punkig und machten jede Menge Spaß.

Die allerletzten Bands (Monoment und Betrunken im Klappstuhl) haben wir uns nicht mehr richtig angehört. Wir standen im Vorraum bei den Merchandise Ständen, kauften ein und lauschten der Musik aus der Ferne. Monoment war ein Elektrotrash, der uns beiden nicht wirklich gefiel und einer der beiden Musiker hatte einen mit Dornennieten bespickten weissen Helm auf. Betrunken im Klappstuhl begeisterten uns ebenfalls nicht und so beschlossen wir den berauschenden Abend in einem Kontinuum aus Musik zu beenden.

Es war spät und wir hatten noch eine größere Reise nach Hause anzutreten und fuhren also wieder in Richtung Bett.

Hardcore auf deutsch, israelisch, australisch und amerikanisch

Konzert vom 20. März 2016 im Underground in Köln
Defeater, Break Even, Kids Insane und Jail

Nein, ich bin nicht nach Köln gefahren, um mir Refused anzusehen. Das wäre vielleicht auch interessant gewesen, aber ich bin doch in den Untergrund gegangen.

Der Underground in Köln. Hier habe ich mein erstes Motorpsycho Konzert so 1994 oder 1995 gesehen, nachdem ich an der damals noch existierenden Hall Of Fame gesprüht hatte, die um die Ecke lag. Mit einer Tasche voller Dosen saß ich dann bekifft im Hintergrund der Halle und bin auf die musikalische Reise der Norweger gegangen. Hier haben viele gute Bands gespielt, die heute schon in großen Hallen gastieren. Und heute stand ein internationaler Hardcore Abend auf dem Programm.

Er begann lokal mit Jail aus Paderborn und dem Ruhrgebiet. Hardcore hat immer irgendwie etwas mit Sport zu tun. Viel springen, auch rennen, schreien, hüpfen und die Arme rudern. Sänger Björn hatte bereits eine kurze Sporthose an und war besonders aktiv auf der Bühne, wie es sich gehört: er rannte, schrie, hüpfte und war ein geladenes Energiebündel, dem man nur schwer mit den Augen folgen konnte.

Präsentiert wurde ein energiegeladener Oldschool Hardcore und auch wenn die Band im Herbst letzten Jahres gerade ihre erste 7″ Single aufgenommen und veröffentlicht hatte, wurde doch klar, daß die Mitglieder ihre Sache bereits seit vielen Jahren machen. Es klang schon sehr ausgereift und erwachsen. Ich bin gespannt auf das was noch kommen wird aus dem Gefängnis Jail.

Jail playing live at the Underground in Cologne, Germany at the 20. March 2016.

Jail playing live at the Underground in Cologne, Germany at the 20. March 2016.

Ich hatte noch nie im Underground fotografiert und war von Beginn an etwas frustriert über das schlechte Licht. Ich nehme so gut wie nie einen Blitz beim fotografieren, denn das macht total langweilige, flache Bilder und gibt keine tollen, satten Farben. Blitzfotografie in der Automatik-Funktion der Kamera kann auch jeder machen und ich fotografiere immer komplett manuell und mit dem Licht der Scheinwerfer. Also auf Konzerten. Da geht auch was schief, aber es sind in meinem Augen die besten Bilder entstanden. Doch hier musste ich improvisieren zwischen Fotos mit Blitz, Überbelichtungen und Fotos ohne Blitz. Am Ende sind doch ein paar nette Bilder für mein Buchprojekt heraus gekommen. Oder?

Als nächste Band stand die Gruppe Kids Insane aus Tel Aviv in Israel auf dem Programm, die sich bereits 2010 gegründet hatten und auch schon ein paar Mal in Deutschland auf Tour waren. Jetzt begleiteten sie Defeater als Support und haben selbst schon eine kleine Fangemeinde in diesem Land.

Ihre Musik war eine Mischung aus Oldschool Hardcore und modernen Einschlägen, der den eurpoäischen Vorbildern in Nichts nachsteht. Durch die begrenzte Zeit von nur 40 Minuten war das Set sehr schnell vorbei, aber das ist bei den vielen Bands des heutigen abends und bei Hardcore eigentlich nicht verwunderlich.

Kids Insane playing live at the Underground in Cologne, Germany at the 20. March 2016.

Kids Insane playing live at the Underground in Cologne, Germany at the 20. March 2016.

Mit der dritten Band dieses Abends – Break Even – reisen wir von Israel nach Australien, wo die Gruppe in Perth beheimatet ist. Es gibt sie auch schon seit 2005 und in 2008 hatten sie den tragischen Verlust ihres Gitarristen Rowan Willoughby zu beklagen, der sich das Leben nahm. Aus dieser Trauer heraus entstand ihr Debut Album The Bright Side, was bislang die einzige Longplayer Veröffentlichung der Band blieb.

Der Bassist hatte mit dem Gürtel seines Instrumentes zu kämpfen, der ständig abfiel und der Sänger forderte das Publikum permanent auf, von der Bühne zu stagediven. Das wurde gerne angenommen und die Energie der Musik setzte sich bald in das Publikum um, was eine hervorragende Basis für die letzte Band des Abends – Defeater zu formen.

Break Even playing live at the Underground in Cologne, Germany at the 20. March 2016.

Break Even playing live at the Underground in Cologne, Germany at the 20. March 2016.

Gegen 22 Uhr wurde es dann Zeit für den Hauptakt des Abends. Defeater. Die Halle war mittlerweile komplett gefüllt und ich entschloss mich, die Position vor der Bühne zu wechseln und ging an den rechten Rand. Das erwies sich nachher als weise Entscheidung, denn ich konnte hier bessere Bilder machen als auf der linken Seite.

Die fünf Jungs aus Boston spielen seit 2004 zusammen und sie haben sich im letzten Jahr nach der Veröffentlichung ihrer neuen Platte Abandoned von ihrem Gitarristen Jay Maas getrennt. Mit der neuen Platte sind sie derzeit auf Europa Tour und eröffneten ihr Set auch mit dem Titeltrack der Scheibe.

Die Band riss das Publikum vom ersten Moment an mit und wurden bei einigen ihrer bekannten Songs frenetisch gefeiert. Menschen flogen durch die Luft, Fäuste und Finger reckten sich der Bühne entgegen. Sie scheuten sich nicht zu betonen, daß sie den Underground als einen ihrer besten Locations lieben würden. Nach zwei oder drei Zugaben war pünktlich gegen 23 Uhr Schluss und ich setzte mich mit einem Bier an den Rand der Halle zum entspannen. Irgendwie sind Hardcore Konzerte auch für den Zuschauer recht anstrengend und ich war ein wenig erschöpft. Oder werde ich nur alt? Irgendwann forderte mich die Security zum Gehen auf und ich stürzte den Rest Bier herunter und ging zu meinem Wagen.

Defeater playing live at the Underground in Cologne, Germany at the 20. March 2016.

Defeater playing live at the Underground in Cologne, Germany at the 20. March 2016.

Ein Video konnte ich an dem Abend leider nicht machen, da es sehr hektisch vor der Bühne war und der Sound so dermassen laut war, daß die Kamera den Ton nur übersteuerte und es kein wirkliches Hörvergnügen mehr war.

Die Russen sind im Keller

Konzert vom 15. März 2016 im Don’t Panic in Essen
Distemper, Skin Of Tears

Es war eine Premiere für mich. Noch nie war ich im Don’t Panic in meiner Heimatstadt Essen, auch nicht in dem Vorgängerclub, dem Panic Room. Ich konnte sagen, ich war schon etwas gespannt, was mich dort erwarten würde, denn ich hatte viel gehört über den Laden.
Die Fahrt war diesmal also nicht so weit und ich brauchte kein Navi-Gerät, um den Weg zu finden. Ich hatte eine Eingangskontrolle erwartet, wo mein Ticket kontrolliert wurde, aber urplötzlich stand ich in der Kneipe, deren Wände rot bemalt waren mit schwarzen Flammen. Eine Treppe führte nach oben und rechts befand sich die Bar. An den Wänden hingen Fotos und Poster. Das Label Sunny Bastards hatte seit Neuestem das Zepter des Ladens übernommen und ihn umgestaltet und einige bekannte Bands hatten hier bereits gespielt. Gerade erst im letzten Jahr waren Spidergawd zu Gast, die ich neulich in Köln bestaunt habe. Einige andere Bands wie SNFU hatte ich hier sogar verpasst, worüber ich mich noch heute ärgere.

Nachdem ich ein frisch gezapftes Bier besorgt habe, lief ich die Treppe nach oben und hatte von dort einen tollen Blick auf die Bar unten und konnte sogar Billard spielen. Im besoffenen Kopf sicher ein Erlebnis. Ich klebte ein paar Aufkleber zu den anderen auf der Balustrade und suchte etwas verstohlen nach dem Konzert. Es war mir peinlich danach fragen zu müssen und setzte mich unten auf einen der selbst gebastelten Barhocker an einen Tisch. Die Hocker bestanden aus vier Bierkästen, einer als Fusssitz und drei übereinander gestapelte gaben eine Sitzfläche her. Eine lustige Idee. Wenn auch nicht sonderlich bequem, je länger man darauf saß.

Irgendwann gegen 20 Uhr wurde mir die Warterei zu bunt und ich hatte auch die Leuchtschrift entdeckt, die auf ein Hinterzimmer hinwies, wo das Konzert stattfinden sollte. Naja, Hinterzimmer ist wohl etwas untertrieben für den Raum mit Bar, Bühne und einer Tanzfläche. Alles sehr verwinkelt im Panik Raum, aber vielleicht sollte das so sein, falls mal eine Panik ausbrechen sollte.

Die Vorgängerband Skin Of Tears hatte ich bereits 15 Jahre zuvor bei dem Vitaminepillen Festival in der Kulturfabrik in Krefeld gesehen, als ich für die Bambix gerade zwei T-Shirt Design entworfen hatte. Aber so wirklich habe ich die Gruppe nicht mehr in Erinnerung, daher fand ich es toll, sie heute wieder als Vorband genießen zu dürfen.

Skin Of Tears gibt es auch schon seit 1991 und sie spielen eine Mischung aus Punk mit Ska Einschlägen. Sänger Toto hat eine Mähne aus dünnen Dreadlocks und die Band spielt mit Ausnahme eines weiteren Gitarristen, der die Band 1996 verließ, noch in ihrer Urbesetzung. Das ist sehr selten für eine Gruppe, die es schon seit 1991 gibt. Die Wermelskirchener Band hatte sich zwischen 2007 und 2012 aufgelöst und die Mitglieder gingen ihren eigenen Wegen nach und sind nun wieder aktiv und nehmen sogar eine neue Platte auf, die bald erscheinen wird.

Ihre Musik ist immer noch eine Mischung aus Punk und Ska und sie scheuen sich nicht, die fehlenden Bläser auf der Bühne durch Mundgetröte zu ersetzen. Irgendwie sprang der Funke der Band nicht auf das Publikum über und sie verließen ohne Zugabe die Bühne.

Skin Of Tears playing live at Don't Panic in Pssen, Germany on the 15. March 2016.

Skin Of Tears playing live at Don’t Panic in Pssen, Germany on the 15. March 2016.

Es dauerte etwas länger, bis dann der Hauptakt Distemper die Bühne betrat. Eigentlich war die Bühne viel zu klein für die sechs Musiker, die sich schon fast auf dem Podest quetschten. Wie muss das für eine Band sein, die sonst auch in Stadien spielt vor Tausenden von Fans und heute Abend waren knapp 50 Leute da?

Distemper stammen aus Moskau und sind 1989 gegründet worden. Seitdem erobern sie die Welt mit ihren extrem tanzbaren Rhythmen, die sofort in die Beine schiessen und zum Tanzen animieren. Schon 2002 tourten sie ausserhalb Russlands und gelten heute als erfolgreichste russische Band ausserhalb Russlands. Jetzt tobte der Keller und fast alle tanzten. Es war eine wohl nicht unerhebliche Anzahl an russischen Gästen anwesend, die sogar viele der Lieder mitsingen konnten. Ich verstand von alledem garnichts, was manchmal etwas schade war, denn sogar die Ansagen hielt Sänger Dazent in russisch. Sie wurden zwar zunehmend in deutsch angesagt oder manchmal auch in englisch, aber meistens in russisch. Gerne hätte ich mehr von den Liedern verstanden, aber dafür wären sicher einige intensive Gespräche mit den russischen Gästen nötig gewesen oder vielleicht der Band selbst.

Der Keller war leider extrem dunkel und denkbar ungeeignet für Konzertfotos, daß ich ich irgendwann eher nur noch auf die Musik konzentrierte, statt auf künstlerisch wertvolle Aufnahmen zu achten. Ich bin im Tanzen eher ein klobiger Klotz, daß ich bis zum Ende des Konzertes überlegte ob ich tanzen oder fotografieren sollte.

Gegen 234:30 Uhr war die Show auch vorbei, meine Gedanken wurden mir abgenommen von dem unangenehmen Beigeschmack, daß ich in knapp 6 Stunden wieder aufstehen musste, um zur Arbeit zu fahren. Also fuhr ich nach Hause und nach 4 Stunden Schlaf radelte ich wieder zu meiner Arbeitsstelle. Noch benebelt von der Musik und der Versuch auf dem Rad Ska zu tanzen, schlug kläglich fehl.

Distemper playing live at Don't Panic in Pssen, Germany on the 15. March 2016.

Distemper im Video:
(Ich nehme alle Videos mit meinem Smartphone auf, daher manchmal die etwas schlechte Qualität 😉

Setlist Skin Of Tears:
Wag Down
No Penny
Relentless
Joking
Silence
Offline
Times Up
Cups
Tonite
Head & Shoulder
New Horizon
WaWö
Mind

Die Generatoren spucken pink

Konzert vom 09. März 2016 im Grammatikoff, Duisburg
The Generators, Spit Pink

Das Grammatikoff in Duisburg kannte ich bislang noch nicht. Es liegt in der Duisburger Innenstadt und bei dem ersten Anblick dachte ich, es sei eine noble Bar mit Restaurant, aber die Konzerthalle lag eine Etage oberhalb der Kneipe. Der Raum war nicht sonderlich groß und einen Großteil nahm die voluminöse Bühne und die lange Theke ein. Der Boden vor der Bühne war mit Metallplatten ausgelegt für Tanzveranstaltungen.

Als Vorband sollten eigentlich Emscherkurve 77 spielen, die jedoch aufgrund eines Krankenhausbesuches ausfielen. Spontan eingesprungen waren nun Spit Pink aus Recklinghausen und Bochum, die ich bislang nicht kannte. Sie standen Emscherkurve in nichts nach und spielten einen glasklaren Punk mit halb akustischen Gitarren.

Die vier Bandmitglieder sahen auch aus wie echte Punks und während ihrer Show habe ich oft gedacht, sie kämen aus den Staate oder England, aber nicht aus einer meiner benachbarten Heimatstädte. Das Netz gab leider nicht viel an Informationen über die Band her, aber ich werde ihnen bei der einen oder anderen Gelegenheit mal wieder ein Ohr schenken. Den Namen habe ich mich vorgemerkt und ich hoffe, sie einmal an anderer Stelle wiedersehen zu können.

Spit Pink playing live at Grammatikoff, Duisburg, Germany at 09. March 2016.

Spit Pink playing live at Grammatikoff, Duisburg, Germany at 09. March 2016.

Nach einer kurzen Umbaupause traten nun The Generators auf die Bühne. Doug Kane habe ich vor Urzeiten einmal live gesehen, als er mit seiner Band Schleprock in Deutschland tourte. Aus den Mitgliedern von Schleprock entstanden 1997 The Generators, von denen eigentlich nur noch Doug als Gründungsmitglied übrig ist.

Sie sind gerade mit ihrer neuen Platte Earn Your Stripes auf Tournee, aber spielten natürlich viele ihrer alten Klassiker, wie den Opener Burning Ambition. Auf vielerlei Wunsch aus dem Publikum änderte die Band während des Konzertes die Setlist und zog ihren wohl bekanntesten Song City Of Angels vor und sie spielten sogar ein Lied ihrer Vorgängerband Schleprock an dessen Titel ich mich nicht mehr erinnern kann.

Die Halle war eigentlich ganz gut gefüllt und es müssten geschätzte 200 Leute anwesend gewesen sein. Das Publikum war sehr ruhig, vielleicht sogar bedächtig und es wurde kaum gepogt und meistens für sich getanzt. Da bin ich von Punk Konzerten eher etwas anderes gewohnt und man wird herum geschubst und -gestoßen. Irgendwann war das Konzert dann auch vorbei und es war gerade einmal erst 22:30 Uhr.

The Generators playing live at Grammatikoff, Duisburg, Germany at 09. March 2016.

The Generators playing live at Grammatikoff, Duisburg, Germany at 09. March 2016.

Setlist Spit Pink:
Ketamine
Jenny & Jim
Day Went By
Smoke
Lizard’s Night
I think I’m dead
Let’s Go
Pressure
Voodoo Love
Knife
Fool

Setlist The Generators:
Burning Ambition
I Stand In Doubt
Tyranny
Perfume And Poison
Running Riot
Roll Out The Red Carpet
Sound Off The Alarms
Throw Away The Key
Dead At 16
Summer Of Unrest
Here I Go
Yankee Boy
Plastic Roses
Telling Them
You Against You
Castaways
Can’t Hold Me Down
Point Of No Return
City Of Angels
Walking Away
Zugaben:
Gotta Be A Better Way
Hanoi 68
Goodbye California