Lebensblätter

Ich war mir nicht bewusst
dass es so etwas geben kann,
denn ich hatte dich nie vermisst,
denn bislang kannte ich dich nicht.
Aber wenn die Tür erst einmal
geöffnet wurde
und es draussen stürmt,
dann wehen die Blätter herein
und fliegen durch den Raum,
bis in jede Ecke.
Blätter, beschrieben mit
den Geschichten des Lebens
und bemalt mit
den Innenansichten der Seele,
wie ein Fenster zum Meer,
wo ich die Delphine springen
sehen kann
und die Möwen kreisen
mit den Wolken im Wettlauf.

Da vorne läuft ein Pärchen
am Strand,
Hand in Hand
und fast hatte ich sie erkannt,
aber sie verschwanden im Nebel,
der langsam von den Dünen hervor kroch.
Die Tür sprang knarrend auf
und da stand es nun:
das Pärchen vom Strand
und sich bestellten sich Tee
und einen Kuchen.
Sie saßen einfach da
und betrachteten die Blätter
ihres Lebens
und ihrer Seele.
Ich ging zu ihnen
und schenkte ihnen Wein ein, denn
es gibt nur wenige Menschen,
die es schaffen,
reinen Wein zu trinken
und sich dabei noch in die Augen
sehen zu können,
ohne dabei das Buch ihrer
Lebensgeschichten fallen zu lassen.

Einmal die Woche duschen

Wenn dich die Schere
aus dem Leben
und der Gesellschaft schneiden sollte
weil du alt,
gebrochen,
verwirrt oder
gegen das Gesetz verstoßen hast,
wirst du den Weg zurück
kaum finden.
Du stehst alleine
in diesem Feld
mit wogendem Hanf,
daß dich weder benebelt,
noch befreit
von den Tränen,
die dir heiss
hinter den Augäpfeln brennen,
wie Feuer, die deine Wut
nicht ausdrücken können,
wenn wir alles,
was wir nicht verstehen
oder keine zeit aufbringen wollen,
es zu verstehen,
weil uns die Vernunft,
die Geduld,
das Vertrauen oder
der Respekt fehlen.
Wo werden wir enden?
Alleine in einer Zelle
mit Gittern vor den Türen
und Fenstern?
Oder einsam verwahrlosen
und nur einmal die Woche duschen
und vor sich hin vegetieren,
weil Regierung,
Kirche
und Gesellschaft
es nicht schaffen,
allen Menschen einen ehrwürdigen Platz
zu bieten
und ihnen wohlwollende Chance
zu geben.

Die Pflanze der Zukunft

Wenn du schon morgens
bei dem goldenen Sonnenschein
Schmerzen im Magen bekommst,
weil dir dein tägliches Leben
in dem Stacheldraht der Arbeit
den Magen einengt
und diese Stadt so kalt
wie ein Stück Stahl
in den warmen Gedärmen
der Schweine auf der Schlachtbank ist,
wo die Menschen nur Brüste,
Ärsche, Schwänze und
lange Beine sehen,
weil die Lust eine Triebfeder
des Lebens geworden ist,
wo es fast nichts anderes mehr gibt,
was noch ein Wohlbefinden verursacht
oder Glücklichkeit
oder Geborgenheit
oder auch Nähe
und Respekt
nach dem doch alle so schreien
mit ihren klirrenden Stimmen
aus Kehlen,
die vom Alkohol gereinigt
und vertrocknet sind
wie eine Rosine,
die zu lange in der Sonne lag.
Aus der Einsamkeit geboren,
in die Leere gegangen
und nach Liebe gesucht,
Geborgenhet und diesen Respekt
den man nirgendwo bekommt
ausser Formular 24 ist ausgefüllt,
dann gibt es sogar Kondome
auf Rezept.
Diese Lügen, die man täglich lebt
anstatt dem Chef zu sagen,
daß er ein arrogantes Arschloch ist
und daher kommen auch die Bauchschmerzen
weil der Maulkorb der Angst
so fest geschnürt ist,
dass er sogar die Luft zum Atmen nimmt
denn man hat so vieles vollständig verloren,
was man in den Augen sieht
und nicht mit Worten sagen kann,
denn das Herz hat keine Stimme
sondern nur Liebe
und zwar ehrlich
und rein
und voller Respekt
denn dort fließt das Wasser des Lebens.
Aus dem Fenster der Realität
sehe ich die Leichen
an den Wänden dahin kriechen,
die Lichter in ihrer Burst
sind erloschen
oder verloren
und die Augen blind
und die Münder stumm.
Die leuchtenden Augen
haben sich verkrochen
wie Hunde
und scharen sich unter der Brücke
unter dem Tempel aus Gold und
den Rädern der Zerstörung
und dem Lärm der Nutzlosigkeit.
Die klingenden Stimmen sprechen leise
und ohne Unterlass,
aber werden nicht verstanden
bis man die Ohrstöpsel verliert
und einen Vogel hört,
wie er angeflogen kommt
und sich in dein Herz setzt
und ein Nest baut
und Junge bekommt,
die du versorgen musst,
weil die Luft so stickig ist.
Dann erst kannst du sagen,
du hast etwas erschaffen,
etwas behütet,
was die zarte Pflanze
der Zukunft
ohne Dunkelheit
überdauern kann.