Traurige Landschaften in Spitzbergen

Konzert vom 13. Januar 2017 im Cafe Nova in Essen.
The Saddest Landscape, Svalbard, Forever Young Viktoria, Empty Veins

Das erste Konzert in diesem Jahr und es geht direkt mit diesem Brecher los. Das lässt auf einige tolle Shows in diesem Jahr hoffen. Es schneite in diesen Tagen ein wenig, doch als ich losfuhr, war noch alles in Ordnung. Wenn der Backs von Positive Records seine Konzerte plant, kann man fast immer von einem wahren Festival an Bands ausgehen. Am heutigen Abend konnten wieder ganze vier Bands zelebriert werden. Was ein bisschen auf die Spielzeit der Gruppen ging, denn fast jede Band hatte nur knapp 30 Minuten zur Verfügung und selbst der Hauptakt The Saddest Landscape nur 45. Dennoch sollten diese Minuten umso intensiver werden, denn heute war Hardcore, Screamo und blackened Post-Hardcore angesagt.

Ich stand diesmal mehr als pünktlich noch vor 19 Uhr neben der Kirche in Borbeck vor dem Eingang des Cafe Nova und wartete mit den Anderen darauf, daß uns Einlass gewährt würde. Früher (oder auch noch heute oder?) war/ist das Cafe Nova ein Jugendzentrum, bei dem aber schon diverse gute Bands aufgetreten sind.

Als Auftakt an diesen Abend standen Empty Veins aus Münster auf dem Programm. Ich hatte schon in einem vorherigen Blogeintrag geschrieben, daß Hardcore immer irgendwas mit Sport zu tun hat. Der Gitarrist von Empty Veins stand dem in nichts nach und rannte laufend auf der frühen Fläche vor dem Publikum umher, sprang auf die Bühne, herunter und wetzte wieder von einem Ende zum anderen. Sie spielten einen schnellen Sound zwischen Hardcore und Punk. Sie haben gerade ihre erste EP Tumult herausgebracht, dessen Titellied sich mit der erneut herumgeisternden braunen und blauen Flut des rechten Randes beschäftigt.

Als zweite Musikkapelle des Abends standen Forever Young Viktoria auf der Bühne. Die Gruppe stammt aus Gelsenkirchen, die eine böse Mischung aus Hardcore, Noise und Metal spielen. Der Bassist erinnerte mich zwischenzeitlich mal an Nick Olivieri, aber das kann auch nur an der Glatze und dem Bart gelegen haben.

Die nächste Band haute mich vollkommen aus den Socken. Svalbard stammen aus Bristol in England. Normalerweise hat die Gruppe eine Gitarristin, die auch gleichzeitig singt, aber sie konnte an der Europa Tour nicht teilnehmen und so sprangen Nicolas von The Tidal Sleep als zweiter Sänger und Mark von Group Of Man an der zweiten Gitarre ein. Auch wenn ich natürlich gerne Serena mit ihrer krassen Stimme gesehen hätte, taten die beiden Jungs einen guten Job.

Svalbard heisst im Englischen Spitzbergen, eine Inselgruppe im Norden Norwegens in der Nähe des Nordpols und Grönlands. Die Musik der Band ist ebenso kompakt, eisig hart und robust wie die Landschaft dort oben. Ich kannte die Gruppe bisher nicht, aber war schwer geflasht von der breiten Gitarrenwand mit dem nervösen Schlagzeug und dem lautem Geschrei. Schnell, kantig und kompakt. Mehr bitte. Die erste geniale Neuentdeckung in diesem Jahr.

Das hätte mir nun fast schon an Intensität gereicht, aber The Saddest Landscape sollten das noch toppen. Bevor deren Show jedoch losging, ließ Sänger Andy das Licht dimmen, sodaß es am Ende nur noch rot war. Das ärgerte mich natürlich total, denn damit konnte man keine vernünftigen Fotos mehr machen. Nun egal. Die Gruppe lebt davon, daß es zu einer Interaktion zwischen Publikum und Band kommt. Es kann also das Publikum singen, was es auch oft tat und es tummelte sich manchmal mehrere Leute auf der Bühne ums Mikrofon und Andy mitten unter ihnen.

Einer der Zuschauer verausgabte sich so sehr mit pogen, schreiben und tanzen, daß er irgendwann auf der Bühne niedersank und sich übergab. Der arme Kerl musste hinaus getragen werden, kam aber einige Zeit später wieder und machte weiter als wäre nichts gewesen. Der Sound war auch so dermassen energiegeladen, daß sie wie Strom durch das Publikum floss.

Nach mehreren Zugaben, war dann auch schon Schluss, ich besorgte mir noch ein Vinyl von Svalbard und fuhr nach Hause, da es noch weiter ging an diesem Abend. Es hatte mittlerweile wieder angefangen zu schneien, aber die Flocken blieben nicht liegen und verwandelten sich nur in klares Wasser, da es noch zu warm war. Ich kam also wohlbehalten wieder in Kettwig bei meinem Kollegen an.

Wilhelm schreit nach der drogenabhängigen Haut der Träne

Konzert vom 17. August 2016 im Turock Essen
Strung Out, A Wilhelm Scream, Skin Of Tears

Mann, da habe ich mir ja einen Titel ausgedacht. Pfff. 😉
Als ich hörte, daß A Wilhelm Scream in Essen spielen sollten, habe direkt den Nico von Beer & Music angeschrieben, ob ich dort fotografieren kann. Ich habe bislang zwar nur die Career Suicide Platte von ihnen gekannt, die aber auch schon neun Jahre alt ist. Ich hatte stets meinen Gefallen an dem Vinyl und musste natürlich hin. Es sollte eine Offenbarung werden!

Im Turock sehe ich gerne Konzerte, das Licht ist gut, der Sound ist gut und der Schuppen nicht weit von mir. Ich kam diesmal und wohl das einzige Mal in diesem Jahr genau um 19:30 Uhr an und selbst die Türsteher wussten nicht genau, ob nun schon Einlass war oder nicht. Ich wurde trotzdem herein gelassen, bekam den obligatorischen Stempel und besorgte mir erst einmal ein Bier.

Es dauerte bis 20 Uhr, als Skin Of Tears die Bühne betraten. Ich hatte sie im Schuppen genau nebenan vor fast exakt sechs Monaten gesehen, als sie für Distemper Vorband waren. Die Gruppe stammt aus Wermelskirchen bei Wuppertal und ist nun seit über 25 Jahren musikalisch unterwegs. Erst in diesem Jahr haben sie ihre neue Platte Fake My Day! veröffentlicht. Sie durften nur eine halbe Stunde spielen und die Zeit war auch rasant vorbei. Bislang ist es die Band, die ich in diesem Jahr am meisten live gesehen habe.

Dann wurde fleissig umgebaut und ich war gespannt auf die Band, wegen der ich eigentlich gekommen war: A Wilhelm Scream. Wie im Eingang geschrieben, kannte ich sie seit einigen Jahren nur von dem gelben Vinyl der Career Suicide Platte und hatte sie einmal in Köln verpasst, weil da irgendetwas anderes war. Heute durfte ich sie endlich sehen und was die fünf Jungs aus New Bedford, Massachusetts auf die Bühne bretterten, haute mich fast um. Normalerweise hatte ich sie als eher melodiös in Erinnerung und sie kamen eher aus der Surf-Punk und Propagandhi Richtung. Was sie hier live ablieferten war ein schnelles und brachiales Brett, das von Energie nur so strotzte und die Lieder klatschten nur noch links und rechts um den Kopf.

Sänger Nuno Pereira, neben Trevor Reilly eines der Gründungsmitglieder (eine Band, die übrigens auch unter dem Namen Koen und Smackin‘ Isaiah auftrat), war das ganze Konzert eigentlich nur in Bewegung und es war spannend ihm zuzusehen. Er erinnerte mich etwas an die Bühnenperformance von Jello Biafra. Spannend, witzig und elektrisierend. Einen Tag nach dem Konzert gaben sie bekannt, dass sie schon an einem neuen Album arbeiten. Ich bin gespannt.

Strung Out
bedeutet unter anderem drogenabhängig, obwohl ich nicht genau weiss, ob sich die Band wegen dieser Bedeutung so benannt hat. Sie kommen aus dem sonnigen Kalifornien und spielen schon seit 1990 in fast der originalen Besetzung. Sie sind bei Fat Wreck Records unter Vertrag und versprühen den sonnigen Charme des Labels – sonniger, energiegeladener Punk mit persönlichen Texten. Sänger Jason Cruz ist ein Perfektionist, der neben seiner Tätigkeit als Sänger bei Strung Out auch malt und Gedichte schreibt. Mehrmals gab er dem Menschen an der Lichtmaschine Anweisungen, welche Stimmung er gerade haben wollte und regte sich am Ende etwas auf, als dieser bei dem Song Rebellion Of The Snakes (??) nicht das Licht auf rot beschränkte und es etwas abdunkelte. Fortan blieb die Beleuchtung komplett rot.

Um ca. 23:15 Uhr war dann das Spektakel zu Ende und in sechs Stunden sollte ich wieder zum Dienst auf der Arbeit erscheinen. Eine kurze Nacht mit nur vier Stunden Schlaf stand mir bevor.

Die Russen sind im Keller

Konzert vom 15. März 2016 im Don’t Panic in Essen
Distemper, Skin Of Tears

Es war eine Premiere für mich. Noch nie war ich im Don’t Panic in meiner Heimatstadt Essen, auch nicht in dem Vorgängerclub, dem Panic Room. Ich konnte sagen, ich war schon etwas gespannt, was mich dort erwarten würde, denn ich hatte viel gehört über den Laden.
Die Fahrt war diesmal also nicht so weit und ich brauchte kein Navi-Gerät, um den Weg zu finden. Ich hatte eine Eingangskontrolle erwartet, wo mein Ticket kontrolliert wurde, aber urplötzlich stand ich in der Kneipe, deren Wände rot bemalt waren mit schwarzen Flammen. Eine Treppe führte nach oben und rechts befand sich die Bar. An den Wänden hingen Fotos und Poster. Das Label Sunny Bastards hatte seit Neuestem das Zepter des Ladens übernommen und ihn umgestaltet und einige bekannte Bands hatten hier bereits gespielt. Gerade erst im letzten Jahr waren Spidergawd zu Gast, die ich neulich in Köln bestaunt habe. Einige andere Bands wie SNFU hatte ich hier sogar verpasst, worüber ich mich noch heute ärgere.

Nachdem ich ein frisch gezapftes Bier besorgt habe, lief ich die Treppe nach oben und hatte von dort einen tollen Blick auf die Bar unten und konnte sogar Billard spielen. Im besoffenen Kopf sicher ein Erlebnis. Ich klebte ein paar Aufkleber zu den anderen auf der Balustrade und suchte etwas verstohlen nach dem Konzert. Es war mir peinlich danach fragen zu müssen und setzte mich unten auf einen der selbst gebastelten Barhocker an einen Tisch. Die Hocker bestanden aus vier Bierkästen, einer als Fusssitz und drei übereinander gestapelte gaben eine Sitzfläche her. Eine lustige Idee. Wenn auch nicht sonderlich bequem, je länger man darauf saß.

Irgendwann gegen 20 Uhr wurde mir die Warterei zu bunt und ich hatte auch die Leuchtschrift entdeckt, die auf ein Hinterzimmer hinwies, wo das Konzert stattfinden sollte. Naja, Hinterzimmer ist wohl etwas untertrieben für den Raum mit Bar, Bühne und einer Tanzfläche. Alles sehr verwinkelt im Panik Raum, aber vielleicht sollte das so sein, falls mal eine Panik ausbrechen sollte.

Die Vorgängerband Skin Of Tears hatte ich bereits 15 Jahre zuvor bei dem Vitaminepillen Festival in der Kulturfabrik in Krefeld gesehen, als ich für die Bambix gerade zwei T-Shirt Design entworfen hatte. Aber so wirklich habe ich die Gruppe nicht mehr in Erinnerung, daher fand ich es toll, sie heute wieder als Vorband genießen zu dürfen.

Skin Of Tears gibt es auch schon seit 1991 und sie spielen eine Mischung aus Punk mit Ska Einschlägen. Sänger Toto hat eine Mähne aus dünnen Dreadlocks und die Band spielt mit Ausnahme eines weiteren Gitarristen, der die Band 1996 verließ, noch in ihrer Urbesetzung. Das ist sehr selten für eine Gruppe, die es schon seit 1991 gibt. Die Wermelskirchener Band hatte sich zwischen 2007 und 2012 aufgelöst und die Mitglieder gingen ihren eigenen Wegen nach und sind nun wieder aktiv und nehmen sogar eine neue Platte auf, die bald erscheinen wird.

Ihre Musik ist immer noch eine Mischung aus Punk und Ska und sie scheuen sich nicht, die fehlenden Bläser auf der Bühne durch Mundgetröte zu ersetzen. Irgendwie sprang der Funke der Band nicht auf das Publikum über und sie verließen ohne Zugabe die Bühne.

Skin Of Tears playing live at Don't Panic in Pssen, Germany on the 15. March 2016.

Skin Of Tears playing live at Don’t Panic in Pssen, Germany on the 15. March 2016.

Es dauerte etwas länger, bis dann der Hauptakt Distemper die Bühne betrat. Eigentlich war die Bühne viel zu klein für die sechs Musiker, die sich schon fast auf dem Podest quetschten. Wie muss das für eine Band sein, die sonst auch in Stadien spielt vor Tausenden von Fans und heute Abend waren knapp 50 Leute da?

Distemper stammen aus Moskau und sind 1989 gegründet worden. Seitdem erobern sie die Welt mit ihren extrem tanzbaren Rhythmen, die sofort in die Beine schiessen und zum Tanzen animieren. Schon 2002 tourten sie ausserhalb Russlands und gelten heute als erfolgreichste russische Band ausserhalb Russlands. Jetzt tobte der Keller und fast alle tanzten. Es war eine wohl nicht unerhebliche Anzahl an russischen Gästen anwesend, die sogar viele der Lieder mitsingen konnten. Ich verstand von alledem garnichts, was manchmal etwas schade war, denn sogar die Ansagen hielt Sänger Dazent in russisch. Sie wurden zwar zunehmend in deutsch angesagt oder manchmal auch in englisch, aber meistens in russisch. Gerne hätte ich mehr von den Liedern verstanden, aber dafür wären sicher einige intensive Gespräche mit den russischen Gästen nötig gewesen oder vielleicht der Band selbst.

Der Keller war leider extrem dunkel und denkbar ungeeignet für Konzertfotos, daß ich ich irgendwann eher nur noch auf die Musik konzentrierte, statt auf künstlerisch wertvolle Aufnahmen zu achten. Ich bin im Tanzen eher ein klobiger Klotz, daß ich bis zum Ende des Konzertes überlegte ob ich tanzen oder fotografieren sollte.

Gegen 234:30 Uhr war die Show auch vorbei, meine Gedanken wurden mir abgenommen von dem unangenehmen Beigeschmack, daß ich in knapp 6 Stunden wieder aufstehen musste, um zur Arbeit zu fahren. Also fuhr ich nach Hause und nach 4 Stunden Schlaf radelte ich wieder zu meiner Arbeitsstelle. Noch benebelt von der Musik und der Versuch auf dem Rad Ska zu tanzen, schlug kläglich fehl.

Distemper playing live at Don't Panic in Pssen, Germany on the 15. March 2016.

Distemper im Video:
(Ich nehme alle Videos mit meinem Smartphone auf, daher manchmal die etwas schlechte Qualität 😉

Setlist Skin Of Tears:
Wag Down
No Penny
Relentless
Joking
Silence
Offline
Times Up
Cups
Tonite
Head & Shoulder
New Horizon
WaWö
Mind